Nach einer wunderschönen Winterwanderung steige ich irgendwo im Berner Oberland in den Zug. Das rustikale Gefährt, das ich betrete, ist ziemlich gut besetzt. Da ich alleine unterwegs bin, ergattere ich mir noch einen Platz in einem Viererabteil. Vis-à-vis sitzt ein Ehepaar – beide schätzungsweise 70 Jahre alt. Der Zug fährt los und ich nehme mein Notizheft, das ich immer dabeihabe, hervor, um meine Gedanken, die ich während der Wanderung hatte, zu notieren.
Bald werde jedoch unterbrochen. Die nettaussehende Dame gegenüber beginnt über die asiatische Dame im Nebenabteil abzulästern. «Die hat ja viel zu viel weisses Puder auf dem Gesicht und sieht aus wie eine Vogelscheuche», erzählt sie ihrem Reisebegleiter. Ihr Mann bestätigt dies sofort und unterstützt sie in ihren Äusserungen. Meine Konzentration ist durch dieses oberflächliche Gespräch ein wenig eingeschränkt. Es fällt mir irgendwie schwer, den beiden nicht zuzuhören. Nach einer kurzen Pause geht es schon wieder weiter. Nun werden die Personen im vorderen Abteil unter die Lupe genommen. Die indisch stammende Familie scheint den Geruchssinn des Ehepaars ein bisschen zu irritieren, da diese Zeitgenossen eher unangenehme Düfte zu verbreiten scheinen. Später geht es dann noch zum freundlichen Hundebesitzer, der nach den Äusserungen der Dame sein Tier nicht im Griff hat.
Während ich dem Ehepaar so zuhöre, beginn ich mich ein wenig schmunzelnd zu fragen, welche Unzulänglichkeiten sie wohl bei mir schon entdeckt haben und besprechen werden. Da habe ich wohl noch einmal Glück gehabt, dass ich das gleiche Abteil gewählt habe, wie die beiden.
Einige Minuten später steige ich entspannt aus dem Zug und denke mir: Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss – aber ein bisschen interessiert hätte es mich natürlich schon.