Miese Tage
Kennst du diese Tage auch, an denen du besser gar nicht aus dem Haus gegangen wärst, weil von Beginn an alles schieflief? Du ärgerst dich über den Chef, dann verkleckerst du dir dein Hemd mit Kaffee und später findest du keinen Sitzplatz im Tram und die ganze Welt nervt dich. Irgendwie ist während des ganzen Tages der Wurm drin.
Der Tag beginnt aus irgendeinem unerklärlichen Grund verschissen. Die Energie, die sich in diesem Moment anstaut, lässt einem den ganzen Tag nicht mehr los. Die Gefühle, die in diesem Moment den Raum einnehmen, liegen schwer. Körperlich spüre ich, dass es mich einengt und auch wütend und traurig macht.
Am Abend treffe ich meine Tochter. Wir haben uns zu unserem «Positiv-Austausch» verabredet. Ich mache sie darauf aufmerksam, dass ich heute keinen besonders guten Tag hatte und, dass wir uns heute einmal über alle Geschehnisse und Vorfälle auslassen dürfen, die uns wütend und traurig gemacht haben. Sie schaut mich mit grossen Augen an. Die Gefühle, die sie wahrscheinlich den ganzen Tag unterdrückt hatte, bekommen plötzlich die Möglichkeit, sich auszubreiten. Sie erzählt, sie weint, sie erzählt, sie schluchzt, sie weint. Ich gebe diesen Gefühlen, die bei meiner Tochter Platz einnehmen, Raum, indem ich ihr zuhöre und für sie da bin. Ich lasse es geschehen. Ich vertraue darauf, dass die Gefühle, die im Moment präsent sind, ihre Zeit einnehmen, dann wieder gehen werden und neue Gefühle Platz finden werden – ein ewiges Wechselspiel. Nach einigen Minuten des Schluchzens und des Weinens beruhigt sich meine Tochter wieder.
Meine Erkenntnis: Wir werden ab jetzt nicht mehr nur «Positiv-Austausch» machen, sondern bewusst auch der Wut, der Trauer, dem Hass, der Eifersucht usw. Platz geben, im Vertrauen, dass sich genau dadurch viel auflösen kann.
Wann hattest du das letzte Mal einen solchen Tag? Was machst du an solchen Tagen?