Kennst du das Gefühl, immer die oder der Starke sein zu müssen? Weisst du, wie es sich anfühlt, immer für die anderen zu schauen und sich hintenanzustellen? Dann lade ich dich ein, folgende Geschichte, die ich während eines Wandercoaching erlebt habe, zu lesen.
Die Wanderung führte entlang des Vierwaldstättersees. Das Wetter trug das Seine zum Gelingen der Wanderung bei und die Berge zeigten sich von ihrer besten und schönsten Seite. Ich durfte eine junge Frau mit viel Ausstrahlung und Freude im Gesicht am Bahnhof Luzern treffen und sie während des Wandercoachings begleiten.
Bald kristallisierte sich heraus, dass sie ihr Leben lang die Starke sein musste. Sie glaubte, immer und überall stark sein zu müssen. Hilfe von anderen anzunehmen, kam für sie nicht in die Tüte, denn sie war ja die Starke. Dies verankerte sich so heftig in ihr, dass sie auch das Gefühl hatte, dass sie für das Glück der Anderen verantwortlich sei. Stark zu sein und die Sorgen anderer zu tragen, kann mit der Zeit zur Last werden, wenn man sich dabei verliert und sich selbst vergisst. Körperliche Symptome sind dann meist der Anfang – Nacken- oder Rückenschmerzen sind bald regelmässige Begleiter. Die Last der Anderen zu tragen hat etwas Schweres, etwas Erdrückendes und auch etwas Einengendes.
Oft hört man folgende Sätze als Kind von Erwachsenen. «Du musst nicht weinen», oder «das ist doch nicht so schlimm, sei stark». Die Erwachsenen wünschen sich in diesen Situationen wahrscheinlich Harmonie, Ruhe oder Entspannung. Mit solch einem ausgesprochenen Satz ist das eigene Ziel dann schnell erreicht. Tausendmal gehört, tausendmal in jeder Zelle des Köpers gespeichert. Wie könnte man so noch an der Wahrheit dieses Satzes zweifeln - ich muss stark sein?
«Ich darf stark sein, wenn ich nicht die Erwartungen anderer erfüllen muss, sondern dies aus einem Akt des Herzens mache», war einer der Sätze, die sie während der Wanderung entdeckte. Nur schon den Satz zu sagen, oder zu lesen, gab der ganzen Situation eine neue Kraft. Es stellte sich schnell Leichtigkeit ein. Zudem hat sie das Wort «müssen» mit dem Wort «dürfen» ersetzt, welches dem Ganzen eine ganz andere Bedeutung gab. Ich spürte bald: Wenn sie ihr Leben so gestalten kann, dass es IHR Leben ist, wird sie die Freude und Ausstrahlung, welche sie mir zu Beginn unserer Wanderung gezeigt hat, tagtäglich aussenden können – welch ein Segen lag darin verborgen.
Während der Wanderung konnte ich fühlen, wie ein Stein nach dem anderen von ihr abfiel und sie die Weite der Natur in sich aufnehmen und geniessen konnte. Damit sich diese Leichtigkeit auch in ihren Alltag integrieren lässt, lernt sie nun sich Schritt für Schritt abzugrenzen und ihrem Herzen zu folgen. Sie lernt, sich selbst so viel wert zu sein, dass sie nicht mehr den Erwartungen im Aussen, sondern nur noch ihren eigenen Erwartungen entsprechen darf. Vielleicht schafft sie es mit der Zeit auch, mit einem befreienden Gefühl zu sagen: «Ich bin der wichtigste Mensch in meinem Leben.»
Musst Du auch immer die oder der Starke sein? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?