Letzthin begegnete ich während meinem täglichen Abendspaziergang der Solidarität. Gespannt kam ich mit ihr ins Gespräch und meinte: «Ich empfinde dein Dasein als etwas Wunderschönes. In den Momenten, in denen du in mein Leben kommst, fühle ich mich glückselig und leicht. Wenn in mir im Augenblick deines Besuches das Bewusstsein des Zusammenhalts erwacht, weiss ich, dass so viel Sinnhaftigkeit für mich und die Gesellschaft erfüllt ist.» Sie freute sich über dieses Kompliment und lächelte.
Nachdem wir einige Minuten in der Stille nebeneinander gelaufen waren, begann sie leise zu flüstern: «Du weisst aber auch, dass dieses Gefühl, das du soeben beschrieben hast, nur erlebt werden kann, wenn die Idee, die du verfolgst, auch deinem wirklichen Interesse entspricht?» Ich schaute sie an, nickte und antwortete: «Diese Erfahrung habe ich während der Corona-Krise gemacht und ich durfte schnell merken, dass ich in solchen Situationen, in denen mein wahrhaftiges und tiefes Interesse fehlte, ich nicht mehr authentisch durchs Leben gehen konnte. Weisst du, wenn ich eine Pseudosolidarität aufrechterhalten will, nur weil es die Mehrheit im Aussen verlangt, muss ich mich verbiegen und nehme in mir einen enormen Widerstand wahr. Dies bedeutet für mich also immer wieder innerlich abzuchecken, ob meine Motivation solidarisch zu sein, einem tiefen inneren Wunsch entspringt. Denn nur so kann ich die Verbundenheit, welche du, liebe Solidarität, ermöglichst, erkennen». «Das machst du richtig, denn ich bin dir nur eine Unterstützung und ein friedvoller Begleiter, wenn du auf dein Herz hörst. Wenn du aber das Gefühl hast, dass du einer moralischen Pflicht oder sogar einer Schuld folgen musst, wird es für mich unmöglich, dich wohlwollend und gütig zu unterstützen», meinte die Solidarität.
Nachdem sie diese Worte gesprochen hatte, verabschiedeten wir uns voneinander, im Wissen, dass wir uns sicherlich bald wieder authentisch begegnen werden.