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Akku tot - und jetzt?

Akku tot – und es ist erst 13.46 Uhr. Was soll das? Jetzt gehe ich einmal allein wandern, bin begeistert von dieser vielfältigen Natur in der Sonnenstube der Schweiz und kann die Foto-App kaum schliessen, weil mich gerade so viel Schönheit umgibt. Am Wegrand steht eine hölzerne, menschengrosse Raupenskulptur, verschiedene Blumen in den schönsten Farben, deren Namen ich nicht kenne, kommen mir vor die Linse und als Spass gibt es dann noch ein Selfie.

In meinem Rucksack liegt mein Computer. Der ruht sich gerade von der anstrengenden Zugfahrt aus, damit er am Abend während der Heimreise wieder fit ist und mir beim Verarbeiten meiner Eindrücke behilflich sein kann. Leider vergesse ich den mobilen Hotspot bei meinem Handy rauszunehmen. Das Akkubälkchen sinkt und sinkt. Bis ich begreife, wer oder besser gesagt was den ganzen Strom abzapft, ist es zu spät. Der Bildschirm ist bewegungslos und schwarz. Ich hätte gerne noch mehr eindrückliche Bilder geknipst, die ich als Erinnerung auf der Festplatte hätte abspeichern können. Nun wähle ich meine innere Festplatte an, die all die Eindrücke in meinem Herzen und meinem Gedächtnis abspeichert. Auch gut.

Ein bisschen verloren sitze ich in einem kleinen Nest im Verzasca Tal. Zu entdecken gibt es ein paar Häuser, die sich in orangen, gelben und anderen erdigen Farben zeigen, ein Tante-Emma-Laden, der gerade geschlossen hat und eine Bushaltestelle. Als ich an der Haltestelle die Abfahrtszeiten in Richtung Tal genauer betrachte, muss ich die Brille hervornehmen, da ich das Geschriebene nicht glauben will. Ich muss 90 Minuten warten, bis der nächste Bus kommt, der mich in die Fläche des schönen Tessins befördert. Kein Handy, also kein Internet, kein Garnichts – nur mich. Dies habe ich in fremder Umgebung schon lange nicht mehr erlebt. Es ist befremdlich und eine kleine Unsicherheit steigt in mir hoch. Nach einigen Überlegungen und Abwägungen entscheide ich mich, mich auf dem Spielplatz des Dorfes auf ein holziges, massives Bänkchen zu setzen. Im Schatten einer Trauerweide, die ihre feinen Äste im Wind tanzen lässt, mache ich es mir bequem. Schon nach wenigen Minuten komme ich zurück in die Achtsamkeit, ins Vertrauen, zurück zu mir und geniesse den Moment. Die Unsicherheit ist verschwunden. Ich lausche meinen Sinnen, nehme wahr und bin einfach. Ein schöner und berührender Moment.

90 Minuten später sitze ich im Bus und freue mich auf die Heimfahrt und mein Zuhause. Dort werde ich, wie meine Kinder mir schon mehrfach geraten haben, eine Powerbank laden und diese in den Rucksack legen – oder vielleicht doch nicht? Die handyfreie Zeit hatte doch auch viel Gutes.

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