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Warum Pläne machen?

Bevor meine Auszeit beginnt, genauer zwei Tage vor Schulende, sitze ich am Nachmittag mit meiner sechzehnjährigen Tochter beim Hausarzt und hoffe auf eine Diagnose. Seit zwei Tagen kann sie kaum noch laufen, obwohl es keine äusseren Einwirkungen gab. Jeder Schritt ist für sie eine Qual, die sich immer wieder auf ihrem schmerzverzerrten Gesicht abzeichnet. Zwei Stunden später werden wir in die Notfallstation vom Kantonsspital verlegt. – ein Marathon beginnt. Nach etlichen Untersuchungen und Stunden später, darf ich nachts um halb vier nach Hause. Sie muss bleiben. Tage des Bangens und Hoffens folgen. Eine Diagnose steht noch nicht fest – lediglich eine Vermutung. Am Sonntagnachmittag wird diese dann bestätigt – glücklicherweise, denn sonst wäre die Suche weitergegangen.

Tägliche Besuche im Spital stehen an – das erachte ich nun als meine Aufgabe. Doch zu Beginn ist jeder Besuch eine Achterbahn der Gefühle. Wie geht es ihr? Wie starke Schmerzen hat sie? Wie stabil ist sie psychisch? All diese Fragen bewegen mich jeweils, bevor ich das Zimmer betrete. Die Ups and Downs mitzutragen, ist eine Gratwanderung. Was möchte jemand, der Schmerzen hat und lieber den Sommermonat in einem Lager und mit den besten Freundinnen verbringen möchte? Ich denke, sie möchte gehört werden, Beistand und Liebe. Das versuche ich ihr täglich zu geben. Und wenn ich ab und zu ins Tippgeben abrutsche, bekomme ich dies jeweils postwendend zu spüren – und weisst du was – ich kann sie verstehen. Also versuche ich mich wieder als Zuhörerin und empathisches Gegenüber, damit sie und ihre Gefühle gesehen werden.

Als Optimistin versuche ich in allen Dingen, die mir im Leben widerfahren, immer wieder das Geschenk dahinter zu sehen. In diesem Fall fühle ich mich meiner Tochter wieder viel näher. Wir hatten während den fünfzehn Tagen Spitalaufenthalt viele wertvolle Gespräche, die mit Ernsthaftigkeit, gemeinsamen Weinen, Tiefe wie auch mit Humor gefüllt waren. Nach dieser Zeit ist es für mich noch mehr spürbar, dass wir uns gegenseitig vertrauen können und in der Tiefe unseres Herzens wieder einmal erfahren durften, welche Liebe uns verbindet.

Meine Tochter habe ich während den letzten beiden Wochen ein wenig wie neu kennengelernt. Ich habe Stärken an ihr gesehen, die mir im alltäglichen Trott bis jetzt weniger aufgefallen sind. In Momenten der tiefen Demut und Dankbarkeit habe ich erkannt, wie sie mit dieser für sie schwierigen Situation offen umgeht und wie sie voller Zuversicht und Stärke, all die Schmerzen ertragen hat. Ich bin unglaublich stolz auf sie.

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